„Die Angst im Spiegel“ von Simone Ehrhardt

9. Mai 2013 1 Von Patrick
Bewertung:

Die Angst im SpiegelKurzbeschreibung des Verlags:
Ein Blick in den Spiegel jagt Corinna Schauder über den Rücken. Wer ist der gebeutelte, alte Mann, der sie anstarrt? Seit Jahren zerstören Panikattacken Corinnas Leben. Erschreckende Visionen und Albträume lassen ihr Dasein nach dieser Begegnung mehr und mehr zur Hölle geraten. Sie befürchtet, endgültig den Verstand zu verlieren, und ihr Mann hält sie für verrückt, als sie behauptet, der Greis existiere wahrhaftig. Doch sie ist ihm bereits begegnet: in ihren Furcht einflößenden Träumen! Corinna sieht nur noch eine Chance. Sie muss den Spuren folgen, die ihre Visionen ihr weisen. Ein Wagnis, das ihr alles abverlangt und sie einem grausamen Geheimnis näher bringt.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mich eine Geschichte jemals so sehr genervt hätte, wie es „Die Angst im Spiegel“ getan hat. Vor allem Protagonistin Corinna ging mir bei der Lektüre gehörig auf den Zeiger. Im Roman von Simone Ehrhardt vergeht kaum ein Kapitel, in dem Corinna nicht mindestens zwei schwere Panikattacken hat, kaum eine Seite, auf der sie um Atem ringt und auf den erlösenden Tod wartet. Ich stöhne, blicke auf. „Nicht schon wieder“, denke ich. Immer wieder verliere ich den roten Faden der Erzählung, mit jeder Panikattacke zieht ein störendes Rauschen auf die Leinwand meines Kopfkinos und reißt mich aus der Welt der Literatur. Das macht keinen Spaß. Der Roman „Die Angst im Spiegel“ nervt. Und – verdammt – das soll er auch. Aber darauf komme ich gleich zu sprechen.

Zunächst zur Handlung: Corinna ist eine junge Frau, die auf einen tollen Job und eine erstklassige Bezahlung zurückblicken kann. Sie ist verheiratet mit Thorsten und glücklich in der Ehe. Alles könnte perfekt sein, würde nicht eine plötzliche und vermeintlich grundlose Panikattacke bei einem Kundengespräch ihr Leben von einem auf den nächsten Tag zur Hölle machen. Ab diesem Zeitpunkt lebt Corinna in Angst. Angst vor der Arbeit, Angst vor der Umwelt, Angst vor dem Leben und vor dem Tod. Ja, selbst die Angst fürchtet sie so sehr, dass sie bei jeder neuen Attacke mit ihrem Dasein abschließt und das Schlimmste erwartet.
»Du musst ausatmen!« 
Es ist aber weniger Corinna, sondern viel mehr ihr Ehemann Thorsten, der meiner Meinung nach der stille Held des Romans ist. Nicht, weil er Corinna unbewusst zwar aber wiederholt das Leben rettet, indem er sie während ihrer Panikattacken auffordert auszuatmen. Auch nicht, weil er nach Jahren des durch Corinnas Krankheit bedingten Nebeneinanderlebens und nach all den Zweifeln immer noch zu seiner Frau hält. Es ist viel mehr die Tatsache, dass er trotz aller panischen Unterbrechungen, trotz aller Furcht und Demütigung immer noch die roten Fäden von sich und Corinna in den Händen hält und das gemeinsame Leben zumindest nach außen hin normal scheinen lässt. Was Thorsten aushalten muss, erfährt der Leser am eigenen Leib. Corinnas Panikattacken nerven. Aber sie zeigen auch, dass das Leben mit ihnen weder für den Erkrankten, noch für seine direkte Umwelt ein Leichtes ist. Dass Simone Ehrhardt in der Tat sensibilisieren möchte, zeigt sich im Anhang des Romans, wo sie näher auf das Krankheitsbild eingeht.
Wie schwer Corinna selbst mit den Panickattacken zu kämpfen hat, wird im zweiten Teil der Handlung deutlich. Nachdem sie bei einem ihrer seltenen Einkaufstouren im Supermarkt mit einem älteren Mann zusammengestoßen ist, träumt sie nachts aber auch tagsüber von dessen Gedanken und Erinnerungen. Sie spürt, dass eine schwere Last den Mann bedrückt, dass diese Last ihn krank und unglücklich gemacht hat und ihn langsam aber sicher in den Tod treibt. Da Corinna selbst trostlos und unglücklich ist, versucht sie diese Visionen zunächst zu ignorieren. Doch der Versuch misslingt und so macht sie sich zusammen mit Thorsten auf eine Reise quer durch Deutschland und durch die Erinnerungen des alten Mannes, auf die Suche nach den Geschehnissen, die ihn bedrücken. Dabei steht nicht nur die Corinnas Glaubhaftigkeit auf dem Spiel, sondern auch die Beziehung zwischen ihr und Thorsten. Spannend und dramatisch.
»Das … das klingt mir alles zu esoterisch«
Wenn ich das Buch eines mir unbekannten Autors lese, gehe ich meinst sehr uninformiert und unbedarf in die Lektüre. Auch bei Simone Ehrhardts „Die Angst im Spiegel“ wusste ich nicht, auf was ich mich einlasse. Nun, da ich den Roman bis zum Schluss gelesen habe, würde ich das Werk in der Kategorie „Mystik-Drama“ oder „Eso-Drama“ ablegen, eine Kategorie, um die ich im Normalfall einen großen Bogen mache. Aber hey, ich mag den Roman. Er ließ sich (bis auf die oben bereits genannten wichtigen „Bildstörungen“) sehr flüssig lesen, die Geschichte machte Sinn, die Protagonisten sind glaubwürdig, der Spannungsbogen war für diese Art von Erzählung optimal. Die Lektüre hat mich durchweg berührt.
Nicht gefallen hat mir jedoch das Ende. Ohne zu viel verraten zu wollen: Den Mann mit der Lederjacke, seinen morphischen Feldern und Quantenverschränkungen hätte man getrost weglassen können – komplett. Er trägt nicht zur eigentlichen Handlung bei und zerstört viel mehr den Hach-Moment, als es um die Beziehung zwischen Corinna und Thorsten geht. Ansonsten: top!

Die Angst im Spiegel“ von Simone Ehrhardt
At bookshouse Ltd.
226 bzw. 304 Seiten
EUR 13,99 (broschiert)
EUR 4,99 (Kindle)
ISBN-10: 9963722202
ISBN-13: 978-9963722204
ASIN: B00BKAX7WM