Rezension: „Alte weiße Männer: Ein Schlichtungsversuch“ von Sophie Passmann
Diese Reise ist der Versuch einer Annäherung an Männlichkeit im 21. Jahrhundert, die sich zum ersten Mal mit dem Umstand konfrontiert sieht, nicht mehr das Monopol auf die Erzählung der Menschheit auszuüben.
– aus „Alte weiße Männer“ von Sophie Passmann (Seite 10)
Klappentext
Sophie Passmann ist Feministin und so gar nicht einverstanden mit der Plattitüde, der alte weiße Mann sei an allem schuld. Sie will wissen, was hinter diesem Klischeebild steckt und fragt nach: Ab wann ist man ein alter weißer Mann? Und kann man vielleicht verhindern, einer zu werden? Sophie Passmann gehört zu einer neuen Generation junger Feministinnen; das sind Frauen, die stolz, laut und selbstbestimmt sind. Sie wollen Vorstandschefinnen werden oder Hausfrauen, Kinder kriegen oder Karriere machen oder beides. Und sie haben ein Feindbild, den alten weißen Mann. Dabei wurde nie genau geklärt, was der alte weiße Mann genau ist. Eines ist klar: Er hat Macht und er will diese Macht auf keinen Fall verlieren. Doch Sophie Passmann will Gewissheit statt billiger Punch-lines, deswegen trifft sie mächtige Männer, um mit ihnen darüber zu sprechen: »Sind Sie ein alter weißer Mann und wenn ja – warum?« Die Texte, die daraus entstanden sind, gehören zu den klügsten und gleichzeitig lustigsten, die man hierzulande finden kann.
Eckdaten
- Erschienen im März 2019
- KiWi Verlag
- Taschenbuch: EUR 12,00
- eBook: EUR 9,99
- 288 Seiten, Broschur
- Leseprobe
Meine Meinung
Sophie Passmann ist ein Phänomen unserer Zeit. Sie ist ganze zehn Jahre jünger als ich (*autsch*) und trotzdem wartete ich nervös am Stand des Kiwi Verlags auf der Leipziger Buchmesse und habe mich wie ein kleines Kind über eine Signatur gefreut. Über wen sagt das mehr aus? Über sie oder über mich? Sophie Passmann ist nunmal einfach beeindruckend. Sie ist das, was man heute gemeinhin als „Influencer“ bezeichnen würde (auch wenn sie sich garantiert mit Händen und Füßen gegen diese Bezeichnung wehren würde). Auf Instagram (@fraupassmann) hat sie weit über 65 Tsd Follower. Da muss man sich nicht groß mit Sozialen Medien auskennen … Das ist ne Menge! Ich bin großer Fan ihrer Instagram Stories und – jetzt kommt’s – ich lerne ständig dazu. Ihre Stories sind nämlich nicht nur unterhaltsam, originell und lustig, sie erklärt in ihnen auch oft politische Sachverhalte und Themen. Ja, ich lasse mir Politik von einer 25-jährigen auf Instagram erklären. So what 😉
Als ich dann mitbekommen habe, das Sophie an einem Buch schreibt, war ich sofort Ohr. Denn ich war mir sicher, dass diese intelligente junge Frau etwas zu sagen hat. Das Buch musste also kurz nach Erscheinen direkt bei mir einziehen (und auf der LBM habe ich es mir dann noch signieren lasse *fangirl*.
Ich lese ziemlich selten Sachbücher. Das ist einfach nicht mein Ding. Nach Schule und Uni hat man meines Erachtens auch genug trockene Lektüre durchgekaut. Das reicht für mindestens ein Leben. Für alle, die ähnlich denken: „Alte weiße Männer“ ist eine Art Zwischending, denn die einzelnen Kapitel sind durchaus kleine in sich abgeschlossene Geschichten.
Um was geht es?
Sophie trifft sich mit ganz offensichtlichen alten weißen Männern und interviewt sie zu den Themen, die sie umtreibt: Feminismus, Frauenquote, und die Ungerechtigkeit, dass Frauen in vielen Berufen immer noch weniger verdienen als Männer (um ein paar Beispiele zu nennen). Sie trifft sich mit diesen Männern an den unterschiedlichsten Orten. In einer Eisdiele, beim Picknick im Stadtpark, in einer urigen Kneipe … die Schauplätze sind so mannigfaltig, wie ihre Interviewpartner.
Die Gespräche sind allesamt sehr interessant und aufschlussreich. Einige noch etwas mehr als andere. Meine Favoriten waren Sascha Lobo (einfach, weil ich ihn mag und ihn mindestens so beeindruckend finde wie fraupassmann), Kai Diekmann (als ehemaliger Chefredakteur der BILD quasi DAS Feindbild des Feminismus. Oder?) und Papa Passmann (Genial, den eigenen Vater zu interviewen!). Auf Letzteren hatte ich mich fast am meisten gefreut, leider war das Gespräch aber auch gefühlt am kürzesten.
Die Kapitel mit den jeweiligen Gesprächspartnern, sind angenehm zu lesen. Ich habe nach jeden Interview eine kleine Pause eingelegt bzw. war das einfach abends der perfekte Zeitpunkt, um einfach mal das Licht auszumachen und zu schlafen. Man wird also nicht dazu verleitet, noch bis tief in die Nacht weiterzulesen. Sehr Arbeitnehmerfreundlich 😉
Sophie Passmann führt mit viel Witz und Intelligenz durch die Gespräche. Eine Intelligenz die auf viele Männer einschüchternd wirken kann. auf andere wiederum nicht. Aber so ist das nunmal mit alten weißen Männern. Manche sind so, andere so …
Welches Fazit schließen wir aber nun aus den Gesprächen? Gibt es Hoffnung für das Zusammenleben von Mann und Frau? Ist das Buch tatsächlich nur ein Schlichtungsversuch? Brauchen wir gar einen zweiten Teil, um diese Sache mit der Gleichberechtigung nun endlich als erfolgreich abhaken zu können?
Lest am besten selbst ODER lasst es euch von Sophie Passmann vorlesen (Fand ich sogar noch besser!). Das Hörbuch ist sehr zu empfehlen (gibt es auch auf spotify!)
Immer, wenn so eine Quote für Aufsichtsräte und Führungsetagen diskutiert wird, wird auch von irgendeiner Seite angemerkt, dass eine Frau ja dann nie wissen könne, ob sie wegen ihrer Kompetenz eingestellt wurde oder nur, weil der Proporz zufällig nach einer Frau verlangt hatte. […] Ähnlich muss es dem alten weißen Mann gehen: Eigentlich kann er sich nicht sicher sein, ob er wirklich seiner Kompetenz wegen in der Chefetage sitzt oder nur, weil er ein alter weißer Mann ist und somit seine Werkseinstellung maximal gut ist. Nur dass es im ersten Fall erst eine Gesetzesänderung braucht, im zweiten Fall brauchen wir einfach weiterhin Sexismus.
– aus „Alte weiße Männer“ von Sophie Passmann (Seite 23+24)